CityX - Yo, Habana
Kunstprojekt 2016/19
Im April 2015 gaben sich erstmals seit fast 60 Jahren die beiden Staatsoberhäupter der USA und Kuba, US-Präsident Barack Obama und Kubas Präsident Raúl Castro, die Hand und verständigten sich offiziell darüber, die Beziehungen zwischen beiden Staaten zu verbessern. Trotz bestehender Differenzen spürte man in diesem Moment einen starken Drang beider Länder, den Kalten Krieg hinter sich zu lassen und sich zum Wohl der Bevölkerung einander anzunähern.
Die Hoffnung, dass sich in diesem Kontext Kuba auch Europa öffnen möchte, motivierte die Stuttgarter Künstlerin Doris Graf dazu, beim kubanischen Ministerium anzufragen, CityX in Havanna realisieren zu können. Im Februar 2016, ohne eine vorherige Terminabsprache und ohne sich davon viel zu versprechen, klopfte die Künstlerin an die Tür des Ministeriums für Kultur in Kuba, um ihr Anliegen zu unterbreiten. Ab diesem Moment lösten sich alle bisherigen Unsicherheiten in Luft auf. Doris Graf wurde im Ministerium von Frau Ana Margarita Morejón Padrón mit vorbildlicher Gastfreundlichkeit und Offenheit empfangen. Etwas später und ziemlich glücklich hielt die Künstlerin die amtliche Einladung des »Ministerio de Cultura de Cuba, Relaciones Internacionales« in der Hand.
Die Künstlerin machte sehr positive Erfahrungen: Hier erfuhr sie, was »internationale Solidarität« bedeutet. Die Bevölkerung nahm sie an der Hand und führte sie über öffentliche Plätze, Buchmessen, Künstlerateliers, Schulen, Akademien und lieferte ihr die qualitativ besten Zeichnungen, die sie bisher in einem CityX-Projekt sammeln konnte: Liebeserklärungen an die Stadt, Wünsche, Träume und offene Kritik.
»La Habana no cabe en un cuadrado«, Havanna passt nicht in ein Quadrat, ist auf einem der eingesammelten Formulare zu lesen, in dem die Zeichnung das gesamte Blattformat beschlagnahmt und die Rahmen des Zeichnen-Quadrats sprengt.
Die aus den Zeichnungen entstandenen Piktogramme bilden auch die besondere Erfahrung der Künstlerin ab: Der Außenrahmen der Bilder wird vom amtlichen Wappen der Stadt gekrönt und die blaue Farbe, mit der viele Einwohner die Stadt identifizieren, prädominiert.
Die Übersetzung der Zeichnungen, die die Menschen von ihrer Stadt für sie machten, in Piktogramme, bezeichnet Doris Graf als »künstlerischen Aneignungsprozess«. Eben dieser Prozess der Aneignung, in dem die Künstlerin gleichsam durch die »Augen« der Bewohner einer Stadt sehen lernt, erfordert viel Taktgefühl und Mitgefühl. Sie muss sich oft in kürzester Zeit in einer gänzlich fremden Umgebung orientieren, Kontakt zu Menschen finden und ihr Vertrauen gewinnen. So betrachtet, bekommt der Begriff »Aneignung« eine neue Bedeutung – es ist nicht nur ein Nehmen sondern auch ein Entgegen-Nehmen.
Auf der Buchmesse in Havanna schließlich, in der »Feria Internacional del Libro, Salón Infantil«, verliehen die Kubaner der Künstlerin den Preis »Distinctión a la Humilidad, Dora Alonso« – eine Auszeichnung für Demut. Demut ist in Lateinamerika eine Tugend, die Anerkennung verdient.
Zeichnungen
Piktogramme
Die piktografischen Bilder stellen eine Art Kondensat aller in Havanna 2017 gesammelten Zeichnungen dar.
